Bestrahlung oder Operation bei Prostatakrebs? Wann ist der PSA-Test sinnvoll? Wie behandelt man eine gutartige Vergrößerung? Themen rund um Früherkennung, moderne Diagnostik und Therapie von Prostata-Erkrankungen standen im Mittelpunkt des „13. Patiententag Prostata“ am 3. November 2023 in Köln, an dem rund 150 Betroffene, Angehörige und Interessierte auf Einladung des Westdeutschen Prostatazentrums (WPZ) teilnahmen.
„Wir freuen uns sehr, dass unser Patiententag auch in diesem Jahr wieder auf so große Resonanz gestoßen ist. Das zeigt uns, wie hoch der Informationsbedarf zu Diagnostik und Therapie von Prostata-Erkrankungen ist“, sagt Dr. Stephan Neubauer, leitender Urologe des Westdeutschen Prostatazentrums in der KLINIK am RING in Köln.
Das Prostatakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung beim Mann und wird in Deutschland jährlich bei 69.000 Männern neu diagnostiziert. Durch gezielte Vorsorgeuntersuchungen können in etwa 80% der Fälle Frühstadien der Erkrankung entdeckt und die Betroffenen durch eine geeignete Therapie geheilt werden. „Häufig werden Patienten mit der Radikaloperation als einziger Therapieempfehlung jedoch nur unzureichend informiert. Dabei eröffnen sich heute für die Behandlung des organbegrenzten Prostatakarzinoms eine Vielzahl wirksamer und gut erprobter Therapiemöglichkeiten“, erläuterte Dr. Neubauer dem interessierten Publikum.
Um die bestmögliche Therapie zu wählen, muss zuvor jedoch eine präzise Diagnostik erfolgen. Dazu stehen heute neben PSA-Test, Ultraschall- und Tastuntersuchung auch moderne bildgebende Verfahren wie das multiparametrische MRT (mpMRT) zur Verfügung, veranschaulichte Urologe Kai P. Schuster vom WPZ in seinem Vortrag: „Besteht der Verdacht auf ein Prostatakarzinom haben wir die Möglichkeit mittels mpMRT Tumorherde in der Prostata zu erkennen und gezielt Gewebe zur weiteren Untersuchung durch den Pathologen zu entnehmen. „Die so genannte MRT-Fusionsbiopsie erhöht die Treffsicherheit von 50 Prozent bei der herkömmlichen Biopsie auf 92 Prozent“, so der Urologe. Die Gewebeentnahme erfolgt im Westdeutschen Prostatazentrum in der Regel durch den Damm des Patienten (perineale Biopsie). Das hat gegenüber der Biopsie durch den Enddarm den Vorteil, dass neben einer höheren Präzision auch das Infektionsrisiko deutlich reduziert wird.
Für eine optimale Therapieplanung ist die präzise Bestimmung von Größe, Ausbreitung und Bösartigkeit des Prostata-Tumors entscheidend. „Hierbei ist es zunächst wichtig, ob der Tumor noch auf die Prostata begrenzt ist (lokalisiertes Prostatakarzinom) oder bereits Absiedelungen beispielsweise in Lymphknoten oder Knochen gebildet hat“, betonte Dr. Pedram Derakhshani, leitender Urologe im WPZ, im Anschluss. Handelt es sich um ein lokalisiertes Prostatakarzinom wird der Tumor anhand der Parameter Tumorgröße, Gleason-Score und PSA-Wert klassifiziert und einer von drei Risikogruppen (niedriges, mittleres oder höheres Risiko) zugeordnet. Danach richtet sich das weitere therapeutische Vorgehen. „Ziel ist es, immer die bestmögliche Heilungsrate bei gleichzeitig geringsten Nebenwirkungen zu erreichen,“ betonte Dr. Derakhshani und verwies auf die Prostate Cancer Result Study Group, einem internationalen Gremium aus Prostataexperten. „Mit Hilfe eines von den Wissenschaftlern entwickelten Patiententools ist es möglich, die Heilungsraten aller modernen Therapieformen in Abhängigkeit vom Risikoprofil des Tumors miteinander zu vergleichen“, erläuterte der Urologe. Grundlage dieser interaktiven Entscheidungshilfe ist eine wissenschaftliche Analyse aller relevanten Studien zur Therapie des lokalisierten Prostatakarzinoms.
Einen besonderen Stellenwert hat dabei in allen drei Risikogruppen die Brachytherapie. „Diese spezielle Form der Strahlentherapie ist eine Hochpräzisionsbestrahlung, durch die der Tumor von innen zerstört wird, ohne umliegende Strukturen wie Harnblase, Darm oder Schließmuskel zu schädigen“, erläuterte Dr. Carsten Weise, leitender Strahlentherapeut im WPZ, in seinem Vortrag. Dazu werden kleinste Strahlenquellen direkt in die Prostata eingebracht, die den Tumor gezielt von innen bestrahlen. Bei gleichen oder sogar überlegenen Heilungsraten hat die Brachytherapie gegenüber der Totaloperation einen wesentlichen Vorteil: Nebenwirkungen wie die Impotenz bleibt den meisten Patienten erspart und eine Harninkontinenz tritt äußerst selten auf. Als Pioniere der Brachytherapie in Deutschland hat das interdisziplinäre Expertenteam des WPZ insgesamt über 9.000 Behandlungen durchgeführt und verfügt über Verlaufsdaten von mehr als 20 Jahren.
Doch nicht jede Erkrankung der Prostata ist bösartig. So leidet fast jeder zweite Mann über fünfzig an einer gutartigen Vergrößerung, der so genannten Prostatahyperplasie (BPH), die sich durch ständiges Wasserlassen, einen schwachen Harnstrahl und unangenehmes Nachtröpfeln bemerkbar macht. Auch hier bieten sich als Therapie mehrere Möglichkeiten an: von Medikamenten im Anfangsstadium bis hin zur Operation. Während die klassische Ausschälung mit einer elektrischen Schlinge mitunter Risiken birgt, setzen die Kölner Prostata-Experten hochmoderne Laserverfahren ein, um überschüssige Prostatagewebe effektiv und schonend zu verdampfen oder zu entfernen. „Verglichen mit der herkömmlichen Ausschälung der Prostata sind Laserverfahren wie die Holmium-Laser Enukleation (HoLEP) und die Diodenlaser-Therapie effektiver, führen seltener zu Komplikationen und verringern die Wahrscheinlichkeit einer Re-Operation“, erläuterte Priv.-Doz. Dr. Dr. Holger Gerullis. Mit dem HoLEP-Verfahren können selbst Männer mit sehr großem Prostatavolumen schonend operiert werden ohne dass eine offene Operation durchgeführt werden muss.
Auch in diesem Jahr wurde im Anschluss an die Vorträge wieder rege diskutiert. Zahlreiche Besucher nutzten die Gelegenheit, sich mit ihren Fragen direkt an die Prostata-Experten zu wenden. Ob persönlich oder in schriftlicher Form wurde jedes Anliegen von den Ärzten des Westdeutschen Prostatazentrums ausführlich beantwortet. „So hatten wir die Möglichkeit, vielen Betroffenen in ihrem individuellen Fall eine ganz konkrete Hilfestellung an die Hand zu geben“, fasst Dr. Neubauer zusammen.