Klinische Studie prüft das Konzept der „Aktiven Überwachung“ als alternative Therapieoption
Dank verfeinerter Untersuchungsmethoden werden immer mehr Prostatakarzinome im Frühstadium entdeckt. Gleichzeitig wächst die Unsicherheit, ob tatsächlich alle diagnostizierten Tumore einer invasiven Therapie, wie der Radikal-OP, bedürfen. Alternativ können Patienten, die ein Prostatakarzinom mit geringem Risiko aufweisen, engmaschig überwacht werden. Ob das Konzept der „Active Surveillance“ tatsächlich aufgeht, ist derzeit Gegenstand einer großen internationalen Studie.
Für Patienten mit einem Niedrig-Risiko Prostatakarzinom steht mit der „Aktiven Überwachung“ (engl.: Active Surveillance) eine weitere Therapieoption zur Verfügung, nämlich die „Nicht-Behandlung“. Die ersten beiden Jahre wird der Tumor alle drei Monate mittels PSA-Wert, Tastuntersuchung und bildgebenden Verfahren sowie alle 12 Monate mittels erneuter Prostatabiopsie aktiv überwacht. Bleibt der PSA-Wert stabil, verlängert sich der Untersuchungszeitraum auf sechs Monate. Treten jedoch erste Anzeichen auf, die auf ein Fortschreiten der Erkrankung deuten, werden entsprechende Therapiemaßnahmen getroffen. „Ziel ist es, mit der Aktiven Überwachung eine gute Lebensqualität zu erreichen und gleichzeitig die Möglichkeit einer Therapie zu einem späteren Zeitpunkt offen zu lassen“, erklärt Dr. Pedram Derakhshani, Urologe im Westdeutschen Prostatazentrum in Köln.
Mehr als 30 Prozent der Patienten werden nach drei bis vier Jahren behandelt
Überprüft wird das Behandlungskonzept derzeit in einer großen internationalen Studie1, deren erste Ergebnisse anlässlich der diesjährigen Tagung der Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU) in Wien vorgestellt wurden. In die Studie eingeschlossen wurden rund 1600 Patienten, die ein Prostatakarzinom mit einem geringen Risiko aufwiesen (PSA<10; PSA/Prostatavolumen<0,20; Gleason-Score = 6; T1c oder T2). Die Ergebnisse sind schlechter als vermutet: Immerhin jeder dritte Patient musste aufgrund erhöhter PSA-Werte oder einem verschlechterten Biopsiebefund innerhalb von drei bis vier Jahren einer aktiven Behandlung unterzogen werden. Dabei wurden auch immer wieder aggressive Tumore gefunden, die bereits die Kapselgrenze überschritten hatten. Eine Behandlung ist in solchen Fällen dann oftmals zu spät, da sich bereits Absiedelungen des Tumors (Metastasen) gebildet haben können.
Nebenwirkungsarme Behandlung: Brachytherapie
„Es gelingt uns heute noch nicht, Patienten mit einem Niedrig-Risiko Tumor so sicher zu überwachen, dass wir bei einem Fortschreiten der Erkrankung immer rechtzeitig eingreifen können“, betont der Kölner Urologe. „Deshalb bleibt uns derzeit nur die Möglichkeit, die Therapie nebenwirkungsärmer zu gestalten.“ Radikale Behandlungsansätze wie die operative Entfernung der Prostata seien aufgrund der häufig auftretenden Komplikationen wie Inkontinenz und erektile Dysfunktion in vielen Fällen nicht gerechtfertigt.
Als besonders schonende aber dennoch effektive Behandlung von Prostatakrebs hat sich dagegen die Brachytherapie (innere Bestrahlung) erwiesen. Hierbei werden kleinste Strahlenquellen direkt in die Prostata eingebracht. „Durch eine exakte Verteilung der Strahlendosis können wir den Tumor bestrahlen ohne das umliegende Gewebe wie Harnröhre, Darm oder Schließmuskel zu beschädigen“, erklärt Derakhshani. So zeigen mehrere Studien, dass eine erektile Dysfunktion sowie eine Harninkontinenz gegenüber der Prostata-OP deutlich seltener auftritt (14% vs. 70%; 0,3-3% vs. 50%).2
Leben mit dem Tumor: Belastung für die Psyche
Hinzu kommt, dass die aktive Überwachung des Tumors bei vielen Patienten zu einer psychischen Belastung führt, wodurch unter Umständen die Lebensqualität der Betroffenen erheblich eingeschränkt wird. „Die Patienten leben mit dem Wissen, dass sich in ihrem Körper ein Tumor befindet, der sich jeden Tag in seiner Größe, Ausdehnung und Aggressivität ändern kann“, resümiert Derakhshani. Und damit können, seiner Erfahrung nach, nicht alle Patienten gelassen umgehen.