Paradigmenwechsel in der Therapie des lokalisierten Prostatakarzinoms
Wird Prostatakrebs rechtzeitig erkannt, bieten Operation, Brachytherapie und äußere Bestrahlung gleiche Heilungschancen. Da ein direkter Vergleich der Verfahren anhand randomisierter Studien bislang ausblieb, wurde die Operation trotz erheblicher Nebenwirkungen lange Zeit als Therapie der Wahl favorisiert. Eine aktuelle Metastudie, die kürzlich im British Journal of Urology International (BJUI) publiziert wurde, belegt nun erstmals, dass die sogenannte Brachytherapie, allein oder in Kombination mit einer ergänzenden Strahlen- oder Hormontherapie, in allen Krankheitsstadien des lokalisierten Prostatakarzinoms im Vergleich zu einer Radikal-OP mindestens gleichwertig oder sogar besser ist. „Die wissenschaftliche Bestätigung für die hohe Effektivität der Brachytherapie macht ein Umdenken in der Behandlung des lokalisierten Prostatkarzinoms erforderlich“, kommentiert Dr. Stephan Neubauer vom Westdeutschen Prostatazentrum in Köln die aktuellen Ergebnisse der bislang größten Vergleichsstudie. „Die OP als Goldstandard ist damit ein für allemal hinfällig“.
Etwa 60.000 Männer werden in Deutschland jedes Jahr mit der Diagnose Prostatakrebs konfrontiert und stehen vor der schwierigen Aufgabe die „richtige“ Behandlung zu wählen. Ist der Tumor auf die Prostata beschränkt (lokalisiertes Prostatakarzinom) stehen dem Betroffenen mit der Brachytherapie (inneren Bestrahlung), äußeren Bestrahlung, Operation oder der aktiven Überwachung (Active Surveillance) verschiedene Behandlungsoptionen zur Verfügung.
In der jüngst publizierten Metastudie1 wurden nun erstmals in einer umfangreichen Analyse Behandlungsergebnisse der unterschiedlichen Therapien miteinander verglichen – und zwar von allen Studien, die im Zeitraum von 2000 bis 2010 veröffentlicht wurden. Dazu untersuchte ein internationales Gremium aus Prostataexperten die Therapieergebnisse von mehr als 52.000 Patienten, getrennt nach Radikaloperation (16.697 Patienten, davon 1381 mit robotergestützter OP), Brachytherapie (insgesamt 22.479 Patienten, zum Teil in Kombination mit externer Bestrahlung und Antihormontherapie), alleiniger externer Bestrahlung (12.082 Patienten) oder anderer Verfahren (532 Patienten mit hochfokussiertem Ultraschall, 227 Patienten mit Kryotherapie). Dabei galt als Maß für die Wirksamkeit der Therapie die sogenannte biochemische Rezidivfreiheit, die dann gegeben ist, wenn der PSA-Wert im Blut nach Behandlung nicht wieder ansteigt. Zuvor wurden die Patienten drei Risikogruppen – geringes, mittleres und hohes Risiko -zugeordnet.
Brachytherapie erzielt höchste biochemische Rezidivfreiheit
Die Ergebnisse sprechen eine eindeutige Sprache: Strahlentherapeutische Verfahren sind, was ihre Wirksamkeit betrifft, im Vergleich zur operativen Entfernung der Prostata mindestes als gleichwertige oder sogar überlegene Therapieoption zu bewerten. Auch wenn der Beweis für die „beste Therapie“ beim lokalisierten Prostatakarzinom statistisch gesehen nicht erbracht werden kann, weist die Brachytherapie alleine oder in Kombination mit der äußeren Bestrahlung und Hormontherapie die höchste biochemische Rezidivfreihheit auf. Das gilt sowohl für die frühen als auch für die fortgeschrittenen Krankheitsstadien. Die alleinige äußere Bestrahlung zeigt hinsichtlich der biochemischen Rezidivfreiheit im Vergleich zur Radikal-OP gleiche Ergebnisse.
Höchste Zeit umzudenken, fordern Dr. Neubauer und seine Kollegen vom Westdeutschen Prostatazentrum. „Die Operation als einzige Therapiemöglichkeit bei Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom in Betracht zu ziehen ist längst überholt, mitunter sogar falsch“. Als Pioniere der Brachytherapie in Deutschland bedauern sie, dass noch immer mehr als 60 Prozent aller Patienten mit Prostatakrebs operativ behandelt werden, während in den USA die moderne Form der Strahlentherapie schon seit vielen Jahren häufiger durchgeführt wird.
„Und das, obwohl zahlreichen Studien2 zufolge neben dem jetzt eindeutigen Nachweis, dass keinerlei Vorteil im Bezug auf die Heilung nachweisbar ist gravierende Nebenwirkungen wie Inkontinenz und Impotenz nach Radikal-OP deutlich höher liegen als nach Brachytherapie“, betont Dr. Gregor Spira, Strahlentherapeut im WPZ. Auch die moderne robotor-assistierte Operation, die als „schonende“ Behandlungsoption für den Pati-enten gilt, weist mehr Nebenwirkungen auf, als bislang propagiert. So ergab eine Studie3 im US-amerikanischen Ärzteblatt, das Impotenz und Inkontinenz trotz der minimal-invasiven Technik sogar noch stärker ausgeprägt sind, als bei der offenen Radikaloperation.
Erfahrung ausschlaggebend
Doch genauso wie bei allen Behandlungstechniken ist auch bei der Strahlentherapie die Erfahrung maßgeblich für den Therapieerfolg: „Insbesondere die Brachytherapie stellt hohe Anforderungen an die Erfahrung und Kompetenz der behandelnden Ärzte“, erklärt Dr. Neubauer. So belegen zahlreiche Studien, dass sich die Qualität mit der Anzahl der behandelten Patienten deutlich optimieren lässt. “Bei der Wahl einer geeigneten Therapie ist also nicht nur auf die Art des Verfahrens, sondern auch auf die Spezialisierung und Erfahrung der behandelnden Ärzte zu achten“ resümiert Neubauer.