Minimale Nebenwirkungen bei optimalen Heilungsraten – dahin geht der Trend bei der Behandlung von Prostatakrebs. So genannte fokale Therapien behandeln nicht mehr die gesamte Prostata, sondern versuchen gezielt einzelne Tumorherde zu zerstören. Wir sprachen mit Dr. Pedram Derakhshani vom Westdeutschen Prostatazentrum über Möglichkeiten und Grenzen der Fokaltherapie beim Prostatakarzinom.
Während fokale Therapien bei vielen Krebserkrankungen wie Brust- und Nierenkrebskrebs bereits zur Tagesordnung gehören, spielt sie beim Prostatakrebs derzeit noch eine untergeordnete Rolle. Warum?
Anders als etwa beim Brustkrebs ist das Prostatakarzinom in vielen Fällen ein multifokaler Tumor. Das heißt: Der Krebs tritt an mehreren Stellen in der Prostata auf. Deshalb spricht man auch von einzelnen Tumorherden. Ist eine Therapie notwendig, empfiehlt es sich daher, die gesamte Prostata zu behandeln, um sicher zu gehen, dass auch alle bösartigen Zellen zerstört werden. Gerade bei Prostatakarzinomen mittleren und höheren Risikos ist dies sehr wichtig, um das Risiko einer erneuten Erkrankung (Rezidiv) zu minimieren.
Dennoch gibt es derzeit Verfahren, die schon heute eine solche Teilbehandlung des Tumors möglich machen?
Ja. Allerdings gehören hierzu bislang ausschließlich experimentelle Verfahren wie die HIFU-Therapie oder die irreversible Electroporation mit dem NanoKnife. Zu beiden Techniken fehlen jedoch Langzeiterfahrungen und Heilungsraten. Valide Aussagen zur Wirksamkeit können daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht getroffen werden. Darüber hinaus werden diese Therapieformen ausschließlich bei Prostatatumoren angewendet, die ein sehr geringes Risiko aufweisen und nach den Empfehlungen der aktuellen Leitlinien einer „Aktiven Überwachung“ (Active surveillance) zugeführt werden können. Hier besteht deshalb die Gefahr einer „Übertherapie“.
Bleibt Patienten mit Prostatakrebs demnach keine andere Wahl, als ihre Prostata in einer OP komplett entfernen zu lassen?
Nein keinesfalls! Dank verbesserter Früherkennungsmethoden wie der Magnetreso-nanztomographie (MRT) sind wir heute in der Lage, tumorverdächtige Areale in der Prostata präziser zu lokalisieren. Das ermöglicht uns schon jetzt die Therapie gezielter zu gestalten und Nebenwirkungen deutlich zu reduzieren. Hierfür eignet sich vor allem eine spezielle Methode aus der modernen Strahlentherapie: die Brachytherapie.
Können Sie das Verfahren näher erläutern?
Statt die gesamte Prostata in einer für den Patienten oft belastenden Operation zu entfernen, wird bei der Brachytherapie der Tumor gezielt von innen bestrahlt. Dazu werden kleine Strahlenquellen (Seeds) direkt in die Prostata gebracht, die Tumorareale direkt „vor Ort“ zerstören. Die Lage der Seeds in der Prostata richtet sich dabei auch nach der Verteilung der einzelnen Tumorherde. Die Prostata wird punktgenau bestrahlt, ohne umliegende Strukturen wie Harnblase, Darm oder Schließmuskel zu schädigen. Das hat den Vorteil, dass die Männer weiterhin ihren Urin halten können. Auch Probleme mit der Potenz und der Libido treten deutlich seltener auf als nach der Operation.
Ist die Brachytherapie zukunftsweisend für die fokale Therapie beim Prostatakarzinom?
Ja, man könnte bei der Brachytherapie auch von einer semi-fokalen Therapie sprechen. Der große Vorteil gegenüber den experimentellen Verfahren wie HIFU oder IRE ist jedoch, dass alle Tumorzellen in der Prostata bei der Bestrahlung erfasst werden und damit auch Prostatakrebs dermittleren Risikogruppe oder in Kombination mit einer äußeren Bestrahlung sogar der höheren Risikogruppe effektiv behandelt werden kann. Langzeitdaten belegen darüber hinaus eindeutig, dass die Brachytherapie im Vergleich zur OP gleiche Heilungsraten bei geringeren Nebenwirkungen erzielt.