9. Uro-onkologisches Update-Symposium in Köln
Prostatakrebs wird mitunter behandelt, obwohl er lebenslang nie Probleme bereitet hätte. Andererseits erhalten viele Patienten, deren Tumor bereits fortgeschritten ist, keine angemessene Therapie. Über Wege aus dem Dilemma zwischen Über- und Untertherapie diskutierten jüngst Experten des Westdeutschen Prostatazentrums auf dem 9. Uro-onkologischen Update-Symposiumin in Köln.
Prostatakrebs ist der häufigste bösartige Tumor bei Männern: Jedes Jahr erkranken in Deutschland über 58.000 Männer, 11.000 sterben an den Folgen der Erkrankung. „Dank verbesserter Früherkennungsmethoden sind wir heute in der Lage, Tumore in der Prostata zu einem immer früheren Zeitpunkt zu erkennen“, sagte Dr. Pedram Derakhshani anlässlich des 9. uro-onkologischen Update-Symposiums in Köln. Ob ein diagnostizierter Tumor tatsächlich auch zum Tode führt, wenn er nicht behandelt wird, lässt sich häufig allerdings nicht mit Gewissheit sagen. Um die Gefahr einer Überthera-pie zu vermeiden, sei es, so Derakhshani, sinnvoll, die Diagnose von der Therapie zu entkoppeln. „Schon im Vorfeld müssen wir Risikopatienten besser identifizieren“, betonte der Urologe. Neue Testverfahren aus der Labor- und bildgebenden Diagnostik wie der PCA3-Gen-Test und die Ultraschall-gestützte Elastographie sind schon heute eine wertvolle Ergänzung zum herkömmlichen PSA-Test.
Die Gefahr einer Übertherapie sollte immer auch in die Therapieüberlegungen einbezogen werden, „zumal Prostatakrebspatienten insbesondere nach der Radikaloperation zum Teil gravierende Nebenwirkungen in Kauf nehmen müssen“, sagte Dr. Stephan Neubauer, ebenfalls Urologe im Westdeutschen Prostatazentrum. Gerade die operative Entfernung der Prostata, die in Deutschland nach wie vor am häufigsten durchge-führt wird, geht zum Teil mit einer hohen Inkontinenz- und Impotenzrate einher. So kann jeder 10. Patient nach der Operation den Urin nicht mehr halten, fast zwei Drittel leiden an Erektionsstörungen. Der Fokus bei der Behandlung von Prostatakrebspatienten müsse daher verstärkt dahin gehen, optimale Heilungsraten bei minimalen Nebenwirkungen zu erzielen, so Neubauer.
Tumorstadium nicht eindeutig
Wird Prostatakrebs früh erkannt, liegt die Heilungsrate bei 80 bis 90 Prozent, unabhängig davon, ob eine innere Bestrahlung (Brachytherapie), radikale Prostatektomie oder äußere Strahlentherapie durchgeführt wird. „Sobald jedoch der Tumor in die umgeben-de Prostatakapsel eingewachsen ist oder bereits Lymphknoten befallen sind, sinkt die Heilungswahrscheinlichkeit drastisch“, betonte Neubauer. Allerdings ist die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Tumorstadien nicht immer eindeutig. So kann sich nach einer Prostataentfernung herausstellen, dass der Tumor die Kapsel bereits befallen hat.
Weist der Tumor ein höheres Risiko auf, die Kapsel zu durchbrechen oder Metastasen zu bilden, ist die radikale Entfernung der Prostata nicht mehr als Therapie der Wahl zu empfehlen, so der Tenor auf dem Symposium. „Hier schneiden strahlentherapeutische Methoden besser ab“, erklärte Dr. Gregor Spira, Strahlentherapeut im Westdeutschen Prostatazentrum. Denn anders als bei der operativen Behandlung, wo ein einziger Schnitt gesundes von bösartigem Gewebe trennt, wird in der Strahlentherapie immer ein Sicherheitssaum um den Tumor eingeplant, der mögliche in der Diagnostik nicht erkennbaren Absiedlungen miterfasst. Dabei nimmt die Strahlendosis ausgehend vom Tumorherd bis hin zu den Risikoorganen Blase, Enddarm und Harnröhre nach und nach ab.
Mehr Sicherheit durch Strahlentherapie
Als besonders effektiv und schonend hat sich die Brachytherapie bewährt. Bei der Seed-Implantation werden unter ständiger Ultraschallkontrolle bis zu 80 kleinste Strah-lenquellen (Seeds) in die Prostata eingesetzt. „Die Seeds verbleiben im Körper des Patienten und entfalten über Monate ihre Strahlenwirkung auf das Prostatakarzinom“, erklärte Dr. Carsten Weise, ebenfalls Strahlentherapeut im Westdeutschen Prostata-zentrum. Das Tumorgewebe wird durch die hochdosierte, gezielte Strahlung von innen zerstört. Während die Seed-Implantation bei einem früh diagnostizierten Tumor zum Einsatz kommt, ist das HDR-Afterloadingverfahren die wirksamste und sinnvollste Behandlung bei fortgeschrittenem oder aggressivem Prostatakrebs. Hierbei werden spezielle Hohlnadeln in die Prostata eingesetzt, durch die eine hochaktive Strahlenquelle fährt, die den Tumor direkt vor Ort bestrahlt „ Das Afterloading-Verfahren wird meist mit einer äußeren Bestrahlung kombiniert. Damit gehen wir sicher, dass auch die Randbereiche der Prostata, wo sich Tumorzellen ansiedeln können, bestrahlt werden“, resümierte Spira.
Der Vorteil der „inneren Bestrahlung“ liegt außerdem darin, dass Patienten deutlich geringere Nebenwirkungen für die Behandlung in Kauf nehmen müssen. Ein weiterer Pluspunkt von Seed-Implantation und HDR-Afterloading: Die Patienten sind in der Lage, berufliche und private Aktivitäten schon nach wenigen Tagen wieder aufzunehmen.