Leitlinien bestätigen: Weniger Impotenz und Inkontinenz nach Seed-Implantation als nach OP
Köln 24. Februar 2010 - Was bereits zahlreiche internationale Studien belegt haben, wurde nun von führenden Experten bestätigt: Prostatakrebs-Patienten, die eine Brachytherapie (innere Bestrahlung) erhalten, leiden nach der Behandlung deutlich seltener unter Beeinträchtigungen ihrer Potenz und Harninkontinenz.
„Der Krebs muss raus und zwar so schnell wie möglich.“ Das war das Erste, was Joachim P. aus Bergisch Gladbach in den Sinn kam, als ihm sein Urologe die Nachricht mitteilte, dass seine Prostata von einem bösartigen Tumor befallen ist. Danach ging alles unheimlich schnell, erinnert sich der 62-jährige Architekt. Nur eine Woche später wurde die Prostata in einer zweistündigen OP vollständig entfernt, darauf folgte ein mehrwöchiger Aufenthalt in der Rehaklinik. Trotz intensivem Beckenbodentraining kann Joachim P. auch zwei Jahre nach der OP seinen Urin nicht optimal halten. Hinzu kommt eine starke Beeinträchtigung seiner Erektionsfähigkeit.
Joachim P. ist kein Einzelfall. Jedes Jahr werden rund 58.000 Männer mit der Diagnose Prostatakrebs konfrontiert. Davon wird in Deutschland der Mehrzahl der Männer die Prostata operativ radikal entfernt. „Häufig steht bereits der OP-Termin fest, ohne dass sich der Patient über alternative und schonendere Behandlungsoptionen informiert konnte“, berichtet Dr. Pedram Derakhshani. „Nebenwirkungen wie Inkontinenz und Impotenz werden von vielen Betroffenen vorbehaltlos hingenommen“, so der Urologe vom Westdeutschen Prostatazentrum in Köln. Dabei sind die Zahlen trotz nervenschonender OP-Techniken noch immer sehr hoch, wie in den neuen Leitlinien zur Früherkennung, Diagnose und Behandlung des Prostatakarzinoms (1) jüngst publiziert wurde: Danach leidet im Höchstfall jeder Zweite Patient nach der OP an einer Belastungsinkontinenz und 30 bis 100 Prozent an einer erektilen Dysfunktion. (1/2)
Seed-Implantation viel schonender
Dass die radikale Entfernung der Vorsteherdrüse in Deutschland dennoch bei vielen Ärzten als einzige erfolgreiche Therapieoption bei Prostatakrebs gilt, ist, laut Derakhshani, längst überholt. Zahlreiche Studien4 belegen, dass bei Patienten, deren Tumor auf die Prostata begrenzt ist, mit Operation, Brachytherapie (innerer Bestrahlung) und äußerer Bestrahlung die gleichen Heilungsraten erreicht werden.
Die Brachytherapie hat einen wesentlichen Vorteil gegenüber der Operation: “Durch eine exakte Verteilung der Strahlendosis können wir den Tumor bestrahlen, ohne umliegende Strukturen wie Harnröhre oder Schließmuskel zu beschädigen“, erklärt Dr. Gregor Spira, Strahlentherapeut im WPZ. So zeigen mehrere Studien, darunter eine US-amerikanische Studie vom August dieses Jahres, dass eine erektile Dysfunktion nach der Radikal-OP bei 70 Prozent und nach der Seed-Implantation bei 14 Prozent auftritt4. Auch die Harninkontinenz, die nach der radikalen Entfernung der Prostata bei bis zu 50 Prozent liegt, ist mit 0,3 bis 3 Prozent nach Seed-Implantation verschwindend gering und tritt eigentlich nur nach voran-gegangener Prostataausschälung (TURP) auf.
Hinzu kommt, dass die Brachytherapie auch hinsichtlich der Lebensqualität und Patientenzufriedenheit der Operation überlegen ist. Das zeigen Ergebnisse der bundesweit größten Patientenbefragung5: 93 Prozent der Patienten, die sich für eine Brachytherapie entschieden, waren mit der Wahl der Behandlung sehr zufrieden. Dagegen betrug die Zufriedenheit nach Radikal-OP nur 79 Prozent.