Noch immer wird in Deutschland die Mehrzahl der Patienten mit einem lokalisierten Prostatakarzinom operiert. Dass dieses Vorgehen längst überholt ist, zeigt erneut eine Studie, die jüngst in der renommierten Fachzeitung „European Urology“ erschienen ist. Der Untersuchung zufolge sind Männer mit einem Tumor, der ein geringes Risiko aufweist, oder Männer, die älter sind als 70 Jahre, mit einer OP nicht gut beraten. Im Gegenteil: Die Operation ist zum Teil mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden.
Dank verbesserter Früherkennung werden immer mehr Prostatakarzinome im Frühstadium entdeckt. Gleichzeitig wächst die Unsicherheit, ob tatsächlich alle diagnostizierten Tumore einer invasiven Therapie, wie der Radikal-OP, bedürfen. Denn mittlerweile weiß man, dass viele dieser Tumore niemals Beschwerden verursachen würden, geschweige denn zum Tode führen. Schwedische und US-amerikanische Wissenschaftler haben nun in einer Modellrechnung versucht zu klären, für welche Männer mit einem auf die Prostata begrenzten Tumor nun tatsächlich die Operation von Nutzen ist und für welche nicht. Dazu untersuchten sie Daten von insgesamt 695 Männern, die entweder operiert wurden oder aber deren Tumor ohne Behandlung aktiv überwacht wurde (Active Surveillance).
Fraglicher Nutzen der Operation
Die Untersuchung2 ergab, dass ein Großteil der Männer nicht, wie bislang vermutet, von der OP profitiert. Hierzu zählen vor allem Prostatakrebs-Patienten mit einem nicht-tastbaren, wenig aggressiven Tumor, (T1-Tumor mit Gleason-Score 6) sowie Männer über 70 Jahre . Aber auch für Patienten deren Tumorbeschaffenheit ungünstiger ausfällt (T1-Tumor mit Gleason-Score 7 und T2-Tumor mit Gleason-Score 6) lässt sich der Nutzen einer OP laut Aussage der Wissenschaftler nicht eindeutig belegen. Anders bei jungen Männern, die einen aggressiven Tumor aufweisen. Hier ist das Risiko an den Folgen eines Prostatakarzinoms zu sterben, durch eine invasive Therapie reduziert.
Damit stellt sich die Frage, ob ein radikaler Behandlungsansatz, in jedem Falle gerechtfertigt ist? „Es macht wenig Sinn, Betroffenen, die aufgrund der günstigen Ausprägung des Tumors oder ihres Alters kein klinisch relevantes Tumorwachstum zu erwarten haben, die Prostata vollständig zu entfernen“, betont Dr. Derakhshani, Urologe im Westdeutschen Prostatazentrum. Eine radikale Prostata-OP sei hier der falsche Ansatz, zumal der Eingriff mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden sein kann. So leiden bis zu 50 Prozent der Operierten nach dem Eingriff an einer Belastungsinkontinenz und 30 bis 100 Prozent an einer erektilen Dysfunktion1.
Wenn überhaupt sollte es Ziel einer Behandlung sein, eine bestmögliche Heilung bei gleichzeitig geringen Nebenwirkungen zu erreichen. Hierzu eignen sich vor allem minimal-invasive Therapieverfahren wie die innere Bestrahlung. Bei der so genannten Brachytherapie werden unter Ultraschallkontrolle kleinste Strahlungsquellen direkt in die Prostata gebracht. Damit hat die Brachytherapie einen wesentlichen Vorteil gegenüber der Operation: „Durch eine exakte Verteilung der Strahlendosis können wir den Tumor bestrahlen, ohne umliegende Strukturen wie Harnröhre oder Schließmuskel zu beschädigen“, so Dr. Derakhshani.
Hinzu komme die Gleichwertigkeit der Brachytherapie gegenüber der OP hinsichtlich der Heilungsrate, betont der Urologe. So konnte eine aktuelle Metastudie3 belegen, dass die Brachytherapie allein oder in Kombination mit einer ergänzenden Strahlen- oder Hormontherapie, in allen Krankheitsstadien des lokalisierten Prostatakarzinoms im Vergleich zu einer Radikal-OP mindestens gleichwertig oder sogar besser ist. „Damit kann der Patient den Vorteil der optimalen Tumorheilung mit den im Vergleich zur OP geringeren Nebenwirkungen sinnvoll kombinieren“, resümiert Derakhshani.