Die Diagnose Prostatakrebs bedeutet heute längst kein Todesurteil mehr. Wird die Erkrankung mittels PSA-Test, Ultraschall und Abtasten rechtzeitig entdeckt, ist sie in vielen Fällen heilbar. Obwohl Prostatakrebs gerade im höheren Lebensalter weit verbreitet ist, fallen Männer mit Vollendung des 70ten Lebensjahres regelmäßig aus dem Vorsorgeraster. Auch die Entscheidung, ob der Patient eine Therapie erhält oder nicht, wird häufig zu stark auf Basis des Alters der Patienten getroffen, „Zu Unrecht“, meint Dr. Stephan Neubauer, Urologe im Westdeutschen Prostatazentrum. Die allgemeinen Empfehlungen lauten, dass der Bluttest zur Ermittlung des prostata-spezifischen Antigens (PSA) bei Patienten über siebzig nur durchgeführt werden sollte, wenn Beschwerden vorliegen, die auf einen Tumor hindeuten. Begründetet wird dies damit, dass Prostatakrebs ein langsam wachsender Krebs ist und daher die meisten älteren Männer das Endstadium alters- oder gesundheitlich bedingt sowieso nicht mehr erleben. „Ein fataler Irrtum“, moniert Neubauer. „Heutzutage stehen Senioren auch jenseits der siebzig noch mitten im Leben, sind körperlich aktiv, vielseitig interessiert und erfreuen sich guter Gesundheit“. Der Mehrzahl seiner über 70 jährigen Patienten bescheinigt der Kölner Urologe eine durchschnittliche Lebenserwartung von mindestens 10-15 Jahren. Warum sollte hier also auf eine Früherkennung und, falls notwendig, effektive Therapie verzichtet werden?
Ältere Patienten erhalten oft nur Hormone oder gar keine Behandlung Dass ältere Prostatakrebs-Patienten tatsächlich seltener eine kurative (heilende) Therapie wie Bestrahlung, Brachytherapie oder Operation erhalten als ihre jüngeren Leidensgenossen, konnte nun eine aktuelle Studie1 belegen. Stattdessen werden Männer höheren Alters häufiger mittels Hormontherapie oder kontrolliertem Zuwarten (Active Surveillance) behandelt. „Dabei werden bei Männern über 70 Jahre nicht so selten wie bisher gedacht aggressivere Formen des Tumors diagnostiziert.“, erklärt Neubauer. Das sind Tumore, die sehr schnell wachsen, Tochtergeschwülste (Metastasen) bilden und wenn sie zu spät erkannt werden zum Tode führen können. Werden jedoch hochbetagte Männer, die einen aggressiveren Hochrisiko-Tumor aufweisen mittels der etablierten Therapieverfahren behandelt, nimmt die Sterblichkeitsrate um fast die Hälfte ab, wie jüngst im renommierten British Journal of Urology publiziert wurde.2
„Wir können uns nicht nur am Alter der Patienten orientieren, sondern müssen in unsere Überlegungen weitere Faktoren wie den allgemeinen Gesundheitszustand, körperliche und geistige Agilität einbeziehen“, resümiert Neubauer. Ist die Entscheidung für eine Therapie gefallen, sollte das Augenmerk vielmehr auf schonende Therapieverfahren gelegt werden. Hierfür eignet sich vor allem die innere Bestrahlung, die s.g. Brachytherapie. Unter ständiger Ultraschallkontrolle werden bis zu 80 kleinste Strahlenquellen (Seeds) in die Prostata eingesetzt. „Die Seeds verbleiben im Körper des Patienten und entfalten über Monate ihre Strahlenwirkung auf das Prostatakarzinom“, so Neubauer. Das Tumorgewebe wird durch die hochdosierte Strahlung punktgenau von innen zerstört. Nachbarorgane wie Darm, Blase und Harnleiter werden indessen geschont. Das mache sich in der Lebensqualität und Zufriedenheit der Patienten bemerkbar, betont der Kölner Urologe. Sein Fazit: „Es darf keinesfalls sein, dass hohes Alter ein zwingender Grund ist, Prostatakrebs nicht zu behandeln.“