Schon wenige Milliliter Blut reichen aus, um Männer auf ein spezielles Eiweiß zu testen, das ausschließlich von der Prostata produziert wird. Ist der Wert des so genannten Prostata-spezifischen-Antigens (PSA) erhöht, kann dies auf das Vorliegen eines Tumors in der Prostata deuten. Weitere Untersuchungen sind allerdings nötig, um den Krebsverdacht zu bestätigen. „Seit seiner Einführung in den 80er Jahren gilt der PSA-Test neben der Ultraschalluntersuchung der Prostata und dem Abtasten des Organs als wichtigstes Instrument in der Früherkennung von Prostatakrebs“, sagt Dr. Stephan Neubauer, Urologe im Westdeutschen Prostatazentrum in Köln. „Mit seinem Einsatz wurden im Rahmen der urologischen Vorsorgeuntersuchung, die für Männer ab dem 45. Lebensjahr empfohlen wird, sehr viel mehr Prostatakarzinome in einem frühen und damit heilbaren Stadium entdeckt“, betont der Kölner Urologe.
Ob die Bestimmung des PSA-Wertes allerdings tatsächlich zu einer Senkung der Sterblichkeit am Prostatakrebs führt, wurde seit einigen Jahren immer wieder kontrovers diskutiert. Auslöser für die Zweifel an der Aussagekraft des PSA-Tests waren allen voran die Ergebnisse einer groß angelegten amerikanischen Studie zum PSA-Screening (PLCO-Studie1) an mehr als 76000 Patienten. Danach ergab sich kein Überlebensvorteil für die Männer, die sich regelmäßig einem PSA-Test unterzogen im Vergleich zur Kontrollgruppe, bei denen der PSA-Wert über die gesamte Studiendauer von sieben Jahren nicht ermittelt wurde. Angeblich, wie sich jüngst in einer erneuten Überprüfung der Untersuchung herausgestellt hat2. Denn die Studie weist einen fatalen Fehler auf: Ein Großteil der Männer in der Kontrollgruppe unterzogen sich aus eigener Initiative doch einem PSA-Test.
Folgenschwerer Fehler
„Das ist ein Riesenskandal“, sagt Dr. Neubauer und weist auf die Folgen des schweren Fehlers der Wissenschaftler hin: Nach dem ernüchternden Ergebnis der US-Studie entstanden immer mehr Vorbehalte zur Wirksamkeit des PSA-Tests, die sich in Empfehlungen öffentlicher Institutionen niederschlug. So wurde nicht nur in den USA den Männern vom PSA-Test abgeraten, auch die Berichterstattung in Deutschland führte dazu, dass der Test von weniger Patienten in Anspruch genommen wurde. „Der Verzicht auf den PSA-Test hat fatale Folgen, die sich erst in Zukunft bemerkbar machen“, betont Dr. Neubauer. So gehen Hochrechnungen davon aus, dass der Verzicht auf den PSA-Test bei der urologischen Vorsorge bis 2025 etwa 60 000 amerikanischen Männern das Leben kosten kann.
Das Prostatakarzinom ist mit über 60.000 Neuerkrankungen pro Jahr weiterhin die am häufigsten diagnostizierte Krebserkrankung des Mannes und steht nach Angaben des Robert Koch-Institutes insbesondere bei der Sterblichkeit mit mehr als 12.000 Todesfällen pro Jahr immer noch an dritter Stelle. „Die neuen Erkenntnisse beweisen einmal mehr, dass der PSA-Test nach wie vor das wichtigste Instrument für die Früherkennung von Prostatakrebs ist,“ resümiert Dr. Neubauer. „Ansonsten fallen Männer mit einem aggressiv wachsenden Tumor, der ohne eine entsprechende Therapie zum Tod führen würde, durch das Vorsorgeraster.“
PSA-Test kann Leben retten
Doch wie bei jeder Früherkennungsuntersuchung birgt auch der PSA-Test das Risiko einer „Übertherapie“. Unter Umständen werden Tumoren behandelt, die nie zum Tode geführt hätten. „Umso wichtiger ist der richtige Umgang mit den Ergebnissen“, sagt der Kölner Urologe. Obwohl die interdisziplinäre Leitlinie zur Früherkennung, Diagnose und Therapie von Prostatakrebs klare Empfehlungen gibt, wann und zu welchen Umständen der Test angewandt werden sollte, komme es noch immer vor, dass PSA-Werte falsch interpretiert und vorschnell gehandelt werde, kritisiert Dr. Neubauer. So wird häufig auf Grund von kurzzeitig erhöhten PSA-Werten eine Biopsie veranlasst, anstatt den Verlauf der Werte zunächst zu beobachten.
Der Prostataspezialist fordert zudem einen anderen Umgang mit Tumoren, die durch den PSA-Test entdeckt werden: „Es darf nicht sein, dass ein Patient mit einem erhöhten PSA-Wert automatisch auf dem OP-Tisch landet“, so der Prostataspezialist. Gerade die radikale Prostataoperation, die in Deutschland noch immer die häufigste Behandlung ist, geht zum Teil mit einer hohen Inkontinenz- und Impotenzrate einher. Bei Männern, die ein Prostatakarzinom mit geringem Risiko aufweisen, kann häufig ausreichend sein, den Tumor engmaschig zu überwachen (Active Surveillance). „Sollte dennoch eine Behandlung notwendig werden, gilt es, den Fokus verstärkt dahin zu lenken optimale Heilungsraten bei minimalen Nebenwirkungen zu erzielen, was heute in aller Regel mit modernen Fromen der Brachtyhrapie und Strahlentherapie viel besser erreicht wird als durch die Operation. In jedem Falle sollte jeder betroffenen Patient sich mindestens eine Zweitmeinung einholen, bevor er sich vorschnell für die Entfernung des Organs entscheidet“, betont der Urologe.