Ob Strahlentherapie, Operation oder aktive Überwachung (Active Surveillance) -In den ersten zehn Jahren bleibt das krankheitsfreie Überleben unabhängig von der Art der Behandlung des lokalisierten Prostatakarzinoms. Dies zeigt eine aktuelle britische Studie, die jüngst im renommierten New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde1. Während die Effektivität von Operation und Strahlentherapie vergleichbar ist, gibt es jedoch hinsichtlich der Komplikationen große Unterschiede zugunsten der Strahlentherapie.
Mehr als 60.000 Männer werden in Deutschland jedes Jahr mit der Diagnose Prostatakrebs konfrontiert und stehen vor der schwierigen Aufgabe die „richtige“ Behandlung zu wählen. Ist der Tumor auf die Prostata beschränkt (lokalisiertes Prostatakarzinom) stehen dem Betroffenen mit der Brachytherapie (inneren Bestrahlung), äußeren Bestrahlung und Operation mehrere etablierte Therapiemethoden zur Verfügung. Eine weitere Möglichkeit besteht außerdem darin, Tumore mit einem geringen Risiko engmaschig zu überwachen (Active Surveillance) und erst bei Fortschreiten der Erkrankung eine Behandlung zu initiieren. Doch welches Verfahren ist für den Einzelnen am besten geeignet?
Langzeitvergleich zwischen Bestrahlung, OP und aktiver Überwachung
„Noch immer wird den Patienten suggeriert, dass die radikale Prostatektomie die einzige Möglichkeit ist, den Krebs zu heilen“, sagt Dr. Stephan Neubauer vom Westdeutschen Prostatazentrum in Köln. Dass dies eindeutig falsch ist, zeigt erneut eine groß angelegte Studie aus Großbritannien, die jüngst im New England Journal of Medicine publiziert wurde. Die so genannte ProtecT-Studie (Prostate Testing for Cancer and Treatment) ermöglicht erstmals einen direkten Langzeitvergleich zwischen der Bestrahlung des Tumors und der operativen Entfernung der Prostata.
Dazu untersuchten Wissenschaftler der Universität Oxford und Bristol insgesamt 1643 Patienten mit einem lokalisierten Prostatakarzinom, die unter Verwendung eines Zufallsmechanismus entweder der radikalen Prostatektomie, der äußeren Strahlentherapie oder einer aktiven Überwachung zugeordnet wurden über einen Zeitraum von 10 Jahren. Bei der aktiven Überwachung wurden die PSA-Werte im ersten Jahr alle drei Monate, im Anschluss alle sechs bis zwölf Monate kontrolliert, um bei einem Anstieg um mehr als 50 Prozent gegebenenfalls eine Therapie einzuleiten.
Mortalitätsrisiko und Fortschreiten der Erkrankung
Wie die britischen Wissenschaftler zeigen konnten, ist die Überlebenswahr-scheinlichkeit bei einem lokalisierten Prostatakarzinom mit 99 Prozent sehr hoch, unabhängig davon welche der drei Behandlungsarten eingesetzt wurden. So sind in den ersten zehn Jahren nur 17 der 1643 Patienten am Prostatakrebs gestorben: Darunter waren acht aus der Gruppe mit aktiver Überwachung, fünf aus der Gruppe mit radikaler Prostatektomie und vier Patienten, die eine Be-strahlung erhalten haben. „ Selbst vor dem Hintergrund, dass die die strahlentherapeutischen Verfahren die in der Studie eingesetzt wurden, heute nicht mehr dem aktuellen wissenschaftlichen Stand entsprechen, ergibt sich keinerlei Überlebensvorteil für die Operation“, betont Dr. Neubauer aus Köln.
Auch hinsichtlich des Fortschreitens des Tumors (u.a. Bildung von Metastasen, Notwendigkeit einer zusätzlichen Hormontherapie) wurden zwischen OP und Bestrahlung nach 10 Jahren keine Unterschiede festgestellt. Anders bei der aktiven Überwachung: Hier zeigten mehr als doppelt so viele Männer (112 geg. 46) klinische Anzeichen eines Fortschreitens der Erkrankung. Allerdings dürften die meisten Männer in der Gruppe mit aktiver Überwachung sterben, bevor ihr Tumor sich weiter ausbreitet und Absiedelungen in anderen Organen bildet “, betont der Kölner Urologe. Dennoch sollte die aktive Überwachung nur bei Niedrig-Risiko-Tumoren in Erwägung gezogen werden.“
Sexualfunktion und Fähigkeit Urin zu halten nach OP deutlich eingeschränkt
Während die Überlebenswahrscheinlichkeit von OP und Strahlentherapie nahezu gleich ist, gibt es jedoch hinsichtlich der Komplikationen große Unterschiede, wie eine weitere Arbeitsgruppe der Universität Bristol belegen konnte. Patienten aus der ProtecT-Studie wurden dafür über 5 Jahre hinsichtlich auftretender Nebenwirkungen und Komplikationen befragt.
Danach hat die Radikal-OP schwerwiegende Auswirkungen auf die Harnwegs- und Sexualfunktion. So waren nach sechs Jahren noch immer 17 Prozent der operierten Patienten auf Einlagen angewiesen und nur 4 Prozent, die eine Strahlentherapie erhalten hatten. Auch die Auswirkungen auf die Sexualfunktion der Männer waren nach der Operation am größten. Hatten vor Beginn der Studie noch 67 Prozent eine Erektion, die sie zum Geschlechtsakt befähigte, waren es nach sechs Jahren nur noch 12 Prozent gegenüber 22 Prozent nach Bestrahlung und 52 Prozent nach aktiver Überwachung. „Auch hier ist zu bedenken, dass sich die Inkontinenzrate aufgrund moderner strahlentherapeutischer Verfahren wie der Brachytherapie gegen Null bewegt und auch die Sexualfunktion heute deutlich bessere Ergebnisse erzielt“ , so Neubauer.
Fazit
„Galt früher die radikale Entfernung der Prostata als favorisierte Lösung, um das Karzinom vollständig zu entfernen und die Lebenszeit zu verlängern, bietet die moderne Strahlentherapie nicht nur gleiche und bei fortgeschrittenen Tumoren zum Teil sogar bessere Heilungsraten, sondern auch deutlich geringere Nebenwirkungen wie Inkontinenz und Impotenz3“, resümiert Dr. Neubauer.