Die weltweit größte Studie zu Prostatakrebs in Deutschland (PREFERE) sollte ein Meilenstein in der Bewertung der gängigen Behandlungsstrategien bei frühen Formen von Prostatakrebs werden. Das ursprünglich bis 2030 geplante Projekt ist nach drei Jahren endgültig gescheitert. Die Gründe: Methodische Mängel und eine zu geringe Teilnehmerzahl.
Mit dem Ziel Patienten mit einem lokalisierten Prostatakarzinom künftig die Therapiewahl zu erleichtern, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) 2013 die PREFERE-Studie in Auftrag gegeben. 25 Millionen Euro wurden für das ambitionierte Vorhaben eingeplant. Das Studienkonzept sah vor, die Brachytherapie (innere Bestrahlung), radikale Entfernung der Prostata, äußere Strahlentherapie und die aktive Überwachung zur Behandlung des lokalisierten Prostatakarzinoms klinisch gegeneinander zu testen. Geprüft werden sollten Wirksamkeit, Nebenwirkungen und Einfluss auf die Lebensqualität der jeweiligen Behandlungsstrategie. Dazu sollten Männer mit einem diagnostizierten Niedrig-Risiko-Tumor per Zufall einem der vier Therapiemöglichkeiten zugelost werden. Geplant war die Teilnahme von 7600 Patienten. Allerdings konnten seit Anfang 2013 nur 343 Patienten für das Studienprojekt rekrutiert werden.
Zufälliges Losverfahren ethisch nicht vertretbar
„Die geringe Bereitschaft zur Teilnahme an der Studie sei nicht verwunderlich,“ sagt Dr. Stephan Neubauer, der bereits zu Beginn der Studie kritisch Stellung bezogen hat. „Dass bei einer Krebserkrankung ein zufälliges Losverfahren darüber entscheiden soll, welche Therapieform zum Einsatz kommt, ist ethisch nicht vertretbar“, erklärt der Urologe des Westdeutschen Prostatazentrums in Köln. Jeder Arzt möchte seinen Patienten die für ihn bestmögliche Behandlung anbieten und dies nicht dem Zufall überlassen“, so Neubauer weiter. Zumal sich die angebotenen Therapien in ihren Nebenwirkungen erheblich voneinander unterscheiden.
Gleiche Wirksamkeit, unterschiedliche Nebenwirkungen
Denn während die Wirksamkeit von Brachytherapie, äußerer Bestrahlung, Operation und Active Surveillance in den sehr frühen Stadien eines Prostatakarzionoms nahezu gleich ist, gibt es hinsichtlich der Komplikationsrate große Unterschiede. Dies konnte erneut die aktuelle ProtecT-Studie1 eindrucksvoll unter Beweis stellen: Danach hat die Radikal-OP im Vergleich zu den anderen Verfahren die weitaus größten Auswirkungen auf die Harnwegs- und Sexualfunktion. Ganz anders die modernen strahlentherapeutischen Verfahren wie die Brachytherapie, bei der sich die Inkontinenzrate gegen Null bewegt und auch die Sexualfunktion deutlich bessere Ergebnisse erzielt. „Bei der Beurteilung welches Verfahren beim lokalisierten Prostatakarzinom am besten ist, muss daher das Augenmerk ausschließlich auf die Nebenwirkungen gerichtet sein“, lautet das Fazit von Dr. Neubauer.
Kostenübernahme der Brachytherapie muss neu verhandelt werden
Der eigentliche Ausgangspunkt für die PREFERE-Studie war in erster Linie ein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses, der für die Aufnahme der Brachytherapie in den ambulanten Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen weitere Daten aus prospektiven, randomisierten Vergleichsstudien forderte. Damit sollten laut G-BA „belastbare Aussagen zu Vor- oder Nachteilen oder zur Gleichwertigkeit dieses Verfahrens gegenüber anderen Therapieoptionen getroffen werden.“ Für die Patienten bedeutete dies jedoch: Keine Kostenübernahme des innovativen strahlentherapeutischen Verfahrens bis Ende der Studie 2030.
„Dabei“, so Dr. Neubauer , "gab es bereits zu diesem Zeitpunkt sehr aussagekräftige Langzeituntersuchungen, darunter die Metastudie von Grimm et al. aus dem Jahr 20122, die eindeutig belegen konnte, dass die Brachytherapie im Vergleich zur Operation nicht nur gleiche und bei fortgeschrittenen Tumoren zum Teil sogar bessere Heilungsraten erreicht, sondern auch deutlich geringere Nebenwirkungen wie Inkontinenz und Impotenz aufzeigt."
„Da sich die Situation nun aufgrund des vorzeitigen Studienabbruchs von PREFERE geändert hat, müssen die Überlegungen zur Aufnahme der Brachytherapie in den Leistungskatalog und damit die generelle Kostenübernahme dringend wieder aufgenommen werden“, fordert der Urologe. Es könne nicht sein, dass sich G-BA und das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) weiterhin darauf berufen, dass keine belastbaren Aussagen zu Vor- oder Nachteilen oder zur Gleichwertigkeit dieses Verfahrens gegenüber anderen Therapieoptionen getroffen werden können, resümiert Dr. Neubauer.